The Other Window

 

Florian Rosier

 

Der in Leipzig lebende Künstler hat 2013 seinen Abschluss in Medienkunst und Fotografie an der AKI/ArtEZ in Enschede gemacht. Um das Ausgangsmaterial für seine Arbeiten zu erlangen, geht er mit der Kamera los, wo es ihn hinzieht, wie er sagt, oder aber er verwendet „found footage“, wie zum Beispiel bei der Serie „Absent Presence“. Seine Vorgehensweise bezeichnet Rosier als ergebnisorientiert; für ihn zählt, was am Ende „in einem Bild vorkommt“. Daher sind diese Fotos wirklich als eine Basis zu betrachten, denn die fertigen Werke entstehen in einem Prozess vielfältiger digitaler Manipulationen, mit denen der Künstler keine Berührungsängste hat, sondern sie im Gegenteil als Werkzeug betrachtet, „wie der Maler den Pinsel“. Häufig lässt er beispielsweise Personen verschwinden oder „baut“, ähnlich wie bei einem Bühnenbild, einen ganz neuen Hintergrund für die Protagonisten.

 

Durch das gezielte Eliminieren von konkreten Anhaltspunkten, wie etwa Nummernschildern oder Werbetafeln, strebt Florian Rosier danach, seine Motive von Ort und Zeit loszulösen. Formal unterstützt wird dieses Anliegen dabei durch eine konsequente Bildsprache, die auf sehr dunkle Töne setzt, meist grau und schwarz. Während der Hintergrund oftmals in dieser Schattenwelt zu verschwinden scheint, lenken Spotlights den Blick des Betrachters auf das Hauptmotiv, häufig Menschen, die ebenfalls von Raum und Zeit isoliert scheinen: allein an einer Bushaltestelle, in einer Natur, welche ihrer positiven Konnotationen verlustig gegangen ist oder verloren in den Häuserschluchten einer anonymen und austauschbaren Großstadt.

 

Manchmal verlässt Rosier allerdings den sezierenden Blick auf den Menschen in seiner gleichgültigen, abweisenden oder sogar bedrohlichen Umgebung und zoomt heraus, sozusagen vom Mikro- in den Makrokosmos. Dann öffnet sich sein Blick, und mit ihm der des Betrachters, auf gescheiterte urbanistische Vorhaben, die längst zu Geisterstädten verkommen sind, oder auf Industrieanlagen, welche ihren kompositorischen Reiz erst aus der Höhe betrachtet offenbaren und dafür sorgen, dass einige dieser Arbeiten sich auf faszinierende Weise der Anmutung eines Gemäldes nähern.

 

Es sind die Faszination des Verschwindens, die Isolation und der Blick in eine andere, gleichsam verstörende wie poetisch-kontemplative Wirklichkeit, welche die Konzepte von Florian Rosier und Céline Germès miteinander verbinden und auch zum Titel für diese erste gemeinsame Ausstellung angeregt haben, mit der nun ein schon lange gehegter Plan in die Tat umgesetzt wird.

 

Kay Brudy, 2016